Aus der Stille

Die Stille der Berge fasziniert mich schon lange. Sie macht etwas mit den Menschen, die sich ihr aussetzen. Mein Großvater war so einer. Ein Bergler – still, gütig, zufrieden. Er war Bergführer in den 1930er Jahren gewesen. Mit seinen Brüdern bewirtschafte er die Kaunergrathütte in Tirol. Damals, als die Berghütten noch primär Schutzhütten waren. Wo selbst in den Hütten die Stille der Berge den Ton angab. Das ist heute anders. In den bewirtschafteten Hütten ist es laut geworden. Weil wir Menschen laut geworden sind. Unruhig. Immer mit den Sinnen im außen.

Am Hochschwab wurde es so deutlich. Weil wir von einer geplanten Biwaknacht wegen schlechten Wetters in die Schutzhütte übersiedelten. Plötzlich war die Stille weg. Sicher, wir waren froh über den warmen, trockenen Schlafplatz. Aber um 5:20 waren wir wieder draußen. Die Stille am Berg war verlockender als das warme Bett. Vom morgendlichen Zauber lässt sich länger zehren.

Knapp nach 7 machten wir uns dann weiter auf den Weg. Nicht auf den Gipfel. Nicht auf den markierten Wegen. Auf kleinen Pfaden im Schatten der bekannten Routen. So konnten wir der Stille noch lange nachspüren. Uns hineinbegeben. Uns verzaubern lassen. Selbst wieder still werden.

Plötzlich war ich meinem Großvater ganz nah. Diese Stille hatte er in seiner Jugend in den Bergen wohl grenzenlos aufgenommen, sich für immer hineinbegeben. Diese innere Stille hatte ihn wohl sein Leben lang geprägt – auch noch, als er lange nicht mehr in die Berge gehen konnte.

Worin liegt die Faszination? Warum ist mir die Stille so wichtig? Ich glaube, wir brauchen sie heute mehr denn je. Alle von uns. In der inneren Stille liegt ein Schlüssel, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Um uns zu besinnen und das größere Ganze zu sehen. Um dem vermeintlichen Fortschritt – wie Hannes Offenbacher so schön schreibt – etwas entgegenzusetzen. Um auf das Wesentliche fokussiert zu bleiben.
Nachtrag: Ein paar Stunden später hat Leo Babauta diesen wundervollen Artikel veröffentlicht: http://zenhabits.net/quiet/. So kommt die Stille auch in den Alltag : )

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