Plädoyer für eine Basisbildung der Nachhaltigkeit

Mit großer Freude bin ich der Einladung von Inspire gefolgt, eine Keynote über Nachhaltigkeit bei der Tagung Zukunft Basisbildung 2011: Nachhaltigkeit zu halten. Der Untertitel der Tagung baut bereits die erste Brücke zwischen den Begriffen: Der achtsame Umgang mit Menschen, der Natur und den Dingen. Mich reizen dabei folgende Fragen: Welche Ansätze eröffnet die Nachhaltigkeit für die Basisbildung? Und welche Impulse kann eine solchermaßen konzipierte Basisbildung der Nachhaltigkeit für eine nachhaltige Entwicklung in unserer Gesellschaft leisten? Meine Gedanken dazu:

zur Herausforderung unserer Zeit

Ein Blick in die Massenmedien genügt: Krisen, wohin man schaut. Finanzkrise, Eurokrise, Schuldenkrise, Wirtschaftskrise, Energiekrise, Ressourcenknappheit, Klimawandel. Klimawandel und Burnout haben dieselbe Ursache, hat Fritz Hinterberger schon öfter gesagt. Und ich denke, er hat recht: In den westlichen Industrieländern steht ein (seit dem zweiten Weltkrieg) steigender materieller Wohlstand einer sinkenden subjektiven Zufriedenheit gegenüber. Wir haben immer mehr – das macht uns aber schon lange nicht mehr glücklicher. Und wir suchen das Glück trotzdem über weiteren Konsum – eine Spirale, die uns unter gegeben Rahmenbedingungen langsam an die Grenzen führt: persönlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich und in den Ökosystemen der Erde. Viktor Frankl hatte zu alldem schon längst eine Erklärung: Unter der Oberfläche schwelt eine Sinnkrise.

zur Konzeption von Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit entstand als Begriff in der Forstwirtschaft des 19. Jahrhunderts als die damals wichtigste Ressource der Menschheit – Holz – durch eine Übernutzung der Wälder bedroht war. Diese ökologische Dimension im Konzept Nachhaltigkeit ist auch heute noch bestimmend. Und trotzdem möchte ich hier einen ganz anderen Aspekt beleuchten. Die wichtigste Definition in der Nachhaltigkeitsdebatte stammt aus dem “Brundtland Report” an die Vereinten Nationen:

Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen Generationen erfüllt, und zukünftigen Generationen die Möglichkeiten lässt, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.

In dieser Definition geht es vor allem um Bedürfnisse. Diese werden im gesamten Bericht zwar nicht genau definiert, sie führen uns aber zum Kern der Nachhaltigkeit: Es geht um die Fragen nach dem guten Leben: Was ist wesentlich für ein gutes Leben und wie können wir ein ‘gutes Leben für alle’ ermöglichen? Zweifelsfrei braucht es dazu ein gewisses Maß an materiellem Wohlstand: Genug zu essen, Kleidung, Häuser etc. Daneben gibt es aber viele weitere Bedürfnisse, die weit weniger mit materiellem Wohlstand zu tun haben: Zuwendung, Kreativer Ausdruck, Freiheit, Teilhabe, Zuwendung, etc.  Kurz: Alles, was ein gutes Leben ausmacht. Nachhaltigkeit heisst also auch, dass wir uns individuell und auch als Gesellschaft mit unseren Bedürfnissen auseinandersetzen und Bewusstheit erlangen, was wirklich wesentlich ist für ein erfüllendes Leben.

zur Inspiration einer Basisbildung der Nachhaltigkeit

Und hier kann die Basisbildung ansetzen. Bisherige Domänen der Basisbildung: Rechnen, Lesen, Schreiben und Fähigkeiten der Kommunikation sind wichtige Bausteine, um Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig wage ich darüber hinauszudenken: In einer Welt voll komplexer Wechselwirkungen brauchen Menschen Fähigkeiten zu innerer Orientierung und äußerem Verstehen. Das fängt bei jedem persönlich an: Zu verstehen, was mich und andere glücklich macht und dafür Verantwortung zu übernehmen – durch reflektierte Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung. Weiters wichtig: Systemisch Denken, um in einer komplexen Welt gute Entscheidungen treffen zu können – das beginnt mit Achtsamkeit beim täglichen Einkauf an (Wo kommen Produkte her? Wie wurden sie produziert? Was unterstütze ich mit dem Kauf, was nicht?) und zieht sich über die eigene Arbeit bis hin zu gesellschaftlichen Fragen (Wahlen, etc.). Was mich bereits zum dritten Punkt führt, den ich in einer Basisbildung der Nachhaltigkeit gerne sehen würde: Menschen ermuntern und befähigen, sich für ein gutes Leben zu engagieren. “Das Schlimmste ist die Gleichgültigkeit” schreibt Stephane Hessel mit 93 Jahren in seinem Büchlein Empört Euch. Und er weiß wovon er spricht: Nach der Besetzung Frankreichs durch Deustchland hat er in der Resistance gekämpft, wurde gefasst, beinahe hingerichtet, ist mehrmals geflohen. Um sofort nach dem zweiten Weltkrieg federführend in einer kleinen Arbeitsgruppe die Deklaration der Menschenrechte zu erarbeiten. Und genau diese sieht er in Gefahr, wenn wir nicht alle dafür eintreten. Dafür brauchen wir Bildung. Bildung, die Bewusstsein und Engagement für “das gute Leben für alle” an die oberste Stelle setzt.